Lennons „offizielles“ Studio-Solodebüt ist vermutlich der radikalste Befreiungsschlag der Rock-Geschichte. Die Beatles waren nun definitiv Geschichte, der Ärger über den ehemaligen Freund McCartney, der ihm mit der Auflösung der Band zuvorgekommen war, saß tief. Die damit verbundene totale Desillusionierung und die Wirkung der Schrei-Therapie, der er sich gemeinsam mit Yoko unterzogen hatte, schlugen sich auf „Plastic Ono Band“ nieder. Die Songs berührten existentielle Themen: „Mother“, „I Found Out“, „Isolation“, „Look At Me“, „God“, „My Mummy’s Dead“ – niemals zuvor und niemals wieder zeigte sich Lennon so nackt. Das war die bloßgelegte Seele eines Mannes, der seinen eigenen Mythos ganz gewaltig satt hatte; zur selben Zeit gab er dem US-Rolling Stone ein umfangreiches Interview, in dem er eine Beatles-Legende nach der anderen dekonstruierte. Erstaunlicherweise – und obwohl die Angst und Wut jederzeit nachvollziehbar sind – ist das Album im Gegensatz zu den beiden vorangegangenen „Unfinished Music“-LPs mit Yoko kein unnahbarer Brocken, sondern zeigt Lennon als einen der größten Singer/Songwriter aller Zeiten – selbst wenn es die Beatles nie gegeben hätte… – Die leicht verspätete 50th Anniversary-Ausgabe enthält auf der zweiten LP das gesamte Albumrepertoire noch einmal, in Form von Alternate Takes! (1970/2021)