Rezension
Es ist dies eine der Platten, die Dissertationen rechtfertigen (sehr wahrscheinlich gibt es welche darüber!): Das Hauptwerk dieses außergewöhnlichen Pianisten und Komponisten, der sehr zu Unrecht im Schatten der anderen großen Erneuerer (Coltrane, Coleman u.a.) der Ära steht. Während die meisten Avantgardisten den Free Jazz als Bruch mit dem Bop verstanden, weitete Hill dessen Grenzen ins Unendliche – der Boden, von dem aus er startete, läßt sich aber stets noch bestimmen. Die Mannschaft, die er für diese 1964er Sternstunde zusammenstellte, war auch für damalige Verhältnisse außergewöhnlich: Trompeter Kenny Dorham; Eric Dolphy an Altsax, Flöte und Baßklarinette (!); das Tenor übernahm Joe Henderson, Richard Davis den Baß; am Schlagzeug saß Tony Williams (hier noch als „Anthony“ geführt). Daß hier kein konventioneller Jazz stattfindet, liegt bei dieser Besetzung wohl auf der Hand. Abenteuerlich – auch heute noch – klingt hier alles, der zweite der fünf Titel, „New Monastery“ aber ragt besonders heraus – und gilt für seine unglaubliche Melodieführung, genialische Harmonik und nicht minder spannende Rhythmik (Williams ist sagenhaft!) als einer der Schlüsselmomente der Jazzgeschichte: Hier weist vieles nicht nur auf die nächsten Jahre, hier wird bereits der Jazz des 21. Jahrhunderts entworfen. Eine der risikofreudigsten Blue Note-Veröffentlichungen jener Ära! (1964/2022)