Rezension
Mit den Kritiker-Jubelchören anläßlich Bob Dylans später Sinatra-Hommage war zwar zu rechnen, aber ganz so einfach ist es nicht – ich gestehe, daß mich bei den ersten im Internet kursierenden „Snippets“ sogar blankes Entsetzen ergriffen hatte. Das hat sich glücklicherweise gelegt, denn das Album hat wunderbare Momente, gar nicht so wenige. Die Crux allerdings ist, daß man einen Sinatra-Song eben nicht so behandeln kann wie einen von, sagen wir, Hank Williams: Die Emotion allein genügt nicht, diese Lieder verlangen tatsächlich Gesangstechnik, saubere Intonation und Phrasierungskunst – sie wurden für Leute geschrieben, die all das selbstverständlich beherrschten. Nun handelt es sich hier natürlich bewußt um Neudeutungen, man könnte von Nacherzählungen sprechen. Das funktioniert sogar erstaunlich gut, was vor allem den Arrangements und Dylans großartiger Band geschuldet ist: Donnie Herrons dominierender Pedal Steel im Besonderen, auch Tony Garniers gestrichener Kontrabass sorgt immer wieder für Gänsehaut-Momente. Und oft gelingt es dem 73jährigen Meister, den richtigen Ton zu treffen (das kann man buchstäblich verstehen) – dann trifft alles zu, was Sie irgendwo über dieses Album gelesen haben. Manchmal kann es einem aber auch nachgerade die Schuhe ausziehen (n.b.: selbst Sinatra war in diesem Alter diesen Songs nicht mehr gewachsen gewesen, und der hatte sich nicht Abend für Abend auf einer „Never Ending Tour“ die Stimmbänder zerraspelt). Zugeben muß man allerdings unumwunden: Mit solchem Sentiment hat man Dylan lange nicht singen hören. Vielleicht noch nie. Und das sollte Grund genug sein, sich eingehend und unvoreingenommen mit diesem Album zu befassen. (2015)