Rezension
Die seltsame Musik des „Viking of 6th Avenue“, die in unregelmäßigen Abständen wiederentdeckt wird, ist bis heute unkategorisierbar. Die ersten Labels, die sie in den 1950ern auf Schallplatte veröffentlichten, standen dem Jazz nahe; der progressive Rock-Underground der späten 60er fühlte eine Verwandtschaft, die E-Musik-Avantgarde reklamierte sie später für sich, und man sollte auch nicht vergessen, daß sie viele Elemente der Folk Music enthält. Insofern ist diese auf den ersten Blick ungewöhnliche Kombination zwischen erstens dem der Neuen Musik (allerdings auch jedem spannenden Experiment) verpflichteten Kronos Quartet, zweitens einer Band, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, den ganz frühen Jazz wieder so aufregend klingen zu lassen wie zu seiner Entstehungszeit und drittens einer ganzen Schar von erlesenen Gaststimmen aus der Popwelt (u.a. Rufus Wainwright, Joan Wasser, Jarvis Cocker, Marissa Nadler, Karen Mantler, Petra Haden und, ein besonderer Höhepunkt, Aoife O’Donovan im Duett mit Sam Amidon!) dann doch im Grunde naheliegend. Der blinde Mann, der einst mit Rauschebart und Wikingerhelm seltsame Musik in den Straßen von New York machte, war nicht nur Musiker, sondern auch Dichter, Philosoph und im Grunde selbst sein eigenes Kunstwerk. Vielleicht wurde seinem vielschichtigen Wesen noch keine Interpretation seiner Werke so gerecht wie diese – auf jeden Fall ist es eine der schönsten: Ein Album, das man schnell ins Herz schließt. Nur das Einsortieren in die Sammlung dürfte unter Umständen Probleme bereiten… (2023)