Rezension
Tales of the Deep South. “Southern Gothic” ist eigentlich eher eine Genrebezeichnung als ein Albumtitel; auf jeden Fall aber beschreibt es den Inhalt ziemlich treffend, denn Adia Victorias Blick auf den Süden – sie wuchs in South Carolina auf – ist der einer schwarzen Frau, und damit ist wohl jedwede Romantisierung ausgeschlossen. Nicht alle Geschichten sind so düster wie die, in der ein weißer Mann während eines Hochwassers seinem Schicksal überlassen wird (“In deep water I won’t be your savior / Won’t give you my life to keep you alive / You gonna learn to swim or you will drown tonight”) oder wie die von der Predigertochter, die sich im Wagen ihres Vaters einen Schuß setzt, während ihr Vater Gottesdienst hält. In Victorias Songwriting immerhin spielen “schwarzer” Blues und “weißer” Folk gleichberechtigte Rollen. Übertrieben puristisch ist sie nicht, einige Songs (etwa das überragende “Troubled Mind”) führen gar auf Portishead-Terrain. T-Bone Burnett sorgte für eine ideale musikalische Umgebung, zu der u.a. auch Gastauftritte von Margo Price und Jason Isbell gehören. Ein sehr starkes, tief unter die Haut gehendes Album, und ein sehr originärer Americana-Entwurf. (2022)