So etwas gab es noch nie in der Geschichte des Rock’n’Roll: Ein einzelner Künstler (einer der größten im Geschäft), der an einem Ort eine gewaltige Serie von Konzerten absolviert. Es begann im Oktober 2017 im Walter Kerr Theatre, einst Ritz Theatre, einer im Jahre 1921 eröffneten Broadway-Institution. Die letzte Show war für Ende November geplant, was auch schon einzigartig gewesen wäre, aber aufgrund der immensen Ticket-Nachfrage lief die Konzertreihe weiter – bis Ende 2018. 236 Auftritte waren es insgesamt. Für ein Netflix-Special wurden zwei Shows vom Juli 2018 gefilmt; dieses Album ist der Soundtrack dazu. Man entschloß sich dazu, auch auf Tonträger die Show nicht zu beschneiden – denn ohne die launigen, biographischen Erzählungen zwischen oder auch mitten in den Songs würde man keinen Endruck davon gewinnen, was „Springsteen On Broadway“ wirklich war, nämlich viel mehr als nur ein Konzert. Sondern? Schwer zu sagen. Der Terminus „Performance“ evoziert einen abgebrühten Professionalismus, wofür der Broadway mit seinen perfekten Show-Choreographien ja durchaus auch steht. Aber das hier ist eben Springsteen. Der Mann ist ein Symbol für Authentizität, und wer diese Aufzeichnungen hört, wird sofort davon überzeugt sein, daß der Boss jedem einzelnen Zuschauer der 236 Konzerte das Gefühl von etwas Spontanem, Einzigartigen gegeben hat. Weitestgehend im Alleingang übrigens (auf einigen Songs zu Beginn ist noch seine Ehefrau Patti Scialfa dabei), nur mit Gitarre oder Klavier ausgerüstet. Schon richtig, die langen Spoken Word-Anteile werden vielleicht verhindern, daß man diese vier Platten oft auf den Teller legt. Sie eignen sich auch kaum zur Hintergrundbeschallung. Aber was immer dieses Symbol für amerikanische Rockmusik in seinem hoffentlich noch langen Leben noch veröffentlichen wird – „Springsteen On Broadway“ wird sehr wahrscheinlich als sein Vermächtnis in die Geschichte eingehen. Und zwar, weil es genau so ist, wie es ist. Ungekürzt und echt. (2018)