Rezension

Erst spät und bis heute nur selten griff der Komponist die Gattung Streichquartett auf. Zum ersten Mal 1988 mit „Different Trains“, einem gänzlich neuartigen Werk, in dem der Komponist Sprach-Samples gewissermaßen als Quelle der Melodien verwendete; dann erst wieder zehn Jahre später mit dem „Triple Quartet“. Geschrieben prinzipiell für drei Quartette, soll das Werk explizit aber nur von einem Ensemble aufgeführt werden, mittels vorab aufgenommener Elemente. Mehr als eine weitere Dekade verstrich bis zur Komposition von „WTC 9/11“, einem sehr bewegenden Werk, daß das Trauma des 2001er Terroranschlags verarbeitet – hier kehrte Reich zu dem Prinzip der Sprachsamples zurück, die in diesem Falle aus dem Funkverkehr des North American Aerospace Defense Command und der New Yorker Feuerwehr stammten sowie aus von Reich selbst geführten Interviews mit Freunden und Nachbarn, die sich zum Zeitpunkt des Anschlags in Manhattan aufgehalten hatten. Das Mivos Quartet, derzeit eines der spannendsten und abenteuerlustigsten Avantgarde-Ensembles Amerikas, spielte diese erste Gesamtaufnahme ein. Das Ergebnis sollte wohl bei Vergabe der diesjährigen internationalen Klassik-Preise eine Rolle spielen… (2023)