Rezension
Die Niederländerin ist nicht die erste Cellistin, für die die Bachschen Cellosuiten weit mehr sind als ein Repertoirestück unter vielen. Sie nahm schon anno 2010 eine vielbeachtete Gesamteinspielung auf, die (wiewohl auf einem „konventionellen“ Instrument gespielt) selbst die Originalklang-Fraktion begeisterte. Damals war sie zum ersten Mal Mutter geworden. Als zwei Jahre später Zwillinge folgten, sah sich Quirine Viersen mit der Unvereinbarkeit der Solistenkarriere mit mehrfacher Mutterschaft konfrontiert; die Folge war eine schwere persönliche Krise. Was ihr heraushalf, war Bachs Musik. Weswegen sie auch nicht lange überlegen mußte, als man sie bei ihrem neuen Label Barcanova fragte, was sie für ihr dortiges Debüt am liebsten spielen würde. Und man hört die Passion umgehend: Ein derart emotionales Statement zu diesem heiligen Gral der Celloliteratur hat sich schon länger niemand mehr getraut. Man höre als Beispiel das Präludium zur sechsten Suite: Das ist mehr Sturm und Drang denn Barock. Gut möglich, daß diese Aufnahme die Bach-Gemeinde spalten wird; wem musikideologische Grundsatzdiskussionen aber gleichgültig sind, darf sich von dieser faszinierenden Aufnahme überwältigen lassen. Und einmal mehr darüber staunen, welche interpretatorischen Möglichkeiten in diesen 300 Jahre alten Noten liegen, die immer wieder neu klingen können. (2018)