Rezension
Gleich, was jetzt noch kommt: Dieser live aufgenommene Mahler-Zyklus unter Rafael Kubelik ist der faszinierendste, der je auf Schallplatte existiert hat. Diese 1967er Aufnahme der Dritten ist jedenfalls wieder eine Jahrhundert-Einspielung. Von der Thematik (der Symphonie liegt ein auf Nietzsche basierendes Programm zugrunde) wie von der schieren Länge her (der Kopfsatz ist der längste der klassischen Sonatensatzform folgende Satz der Musikgeschichte) ist das Werk eines der schwierigsten im ganzen klassisch-romantischen Repertoire, und selten wurden seine emotionalen Tiefen so ausgelotet wie hier. Das Paradoxon dabei ist die gleichzeitige klangliche Durchsichtigkeit, die Kubelik erreicht. Nicht weniger erstaunlich das Miteinander hochdramatischer und intimster Momente in ein und der selben Einspielung. Und der vierte Satz mit dem Alt-Solo ist einer der bewegendsten Momente der gesamten bisherigen Mahler-Diskographie.Es gibt auch (wie schon bei der Audite-Edition der Ersten) hier wieder schallplattengeschichtlich Bemerkenswertes zu berichten: Labelchef Ludger Böckenhoff ist es mit Recht zuwider, innerhalb eines symphonischen Satzes die Schere anzusetzen. Da das bei herkömmlicher Schneidetechnologie beim ersten Satz der Dritten unvermeidbar ist, kooperierte er mit einem anderen Überzeugungstäter: Günter Pauler, der für sein eigenes Stockfisch-Label erst vor kurzem die bei analogen HiFi-Puristen an sich übel beleumundete DMM-Technik revolutioniert hat. Pauler schnitt die vier Seiten dieses Albums selbst. Das Ergebnis läßt eventuelle Vorurteile wie Seifenblasen platzen. Die erste Seite geht über 31 Minuten und 22 Sekunden, und sie enthält den ganzen ersten Satz. Ohne Schnitte. (2004)