Rezension
Überwältigend von den ersten Bläsertönen an: Abbados 1993er Aufnahme der „Fünften“ zählt zu den großen Mahler-Momenten der Schallplattengeschichte. Abbados Umgang mit Tempi und Dynamik, seine perfekte Balance zwischen Pathos und Abgrund, die „Luft“ zwischen den Noten: Der Italiener hat sich hörbar intensiv mit dieser Partitur beschäftigt, und es ist ihm wie nur wenigen gelungen, ihren Subtext zu entschlüsseln. Insbesondere der lange Mittelsatz wurde selten derart dramaturgisch durchgestaltet, ansteckend beschwingt zu Beginn, dann mit erschütternden Momenten, in denen die Zeit buchstäblich stillsteht. Fraglos profitiert die Aufnahme auch von der sagenhaften Klangästhetik der Berliner aus dreieinhalb Jahrzehnten Karajan, aber Abbado weiß dieses Pfund zu maximalem Nutzen für das Werk einzusetzen: Das geht weit über reinen Schönklang hinaus, im Gegenteil – doppelbödiger klang Mahler selten. Eine in jeder Hinsicht atemberaubende Performance. (1993/2023)