Rezension
Der heute 62jährige Este gilt nicht erst seit gestern als hervorragender Mahler-Dirigent. Für seinen eigenen Zyklus hat er lange auf die richtige Gelegenheit gewartet – die sich nun mit dem Mahler-erfahrenen Züricher Tonhalle-Orchester, dem er seit fünf Jahren vorsteht, endlich bietet. Er beginnt in der Mitte – da die „Fünfte“ nicht nur seiner Meinung nach eine Schlüsselstellung im Werk Mahlers ebenso wie in der Geschichte der Symphonik einnimmt: Mahler, so Järvi, habe damit ein neues Universum erschlossen. Ein Universum, welches man hier in ungewöhnlicher Transparenz erleben kann. Anstelle von überwältigender Emotionalität oder spiritueller Grenzerfahrungen macht Järvi die gewaltige Komposition erfaßbar, lenkt den Blick etwa auf die kontrapunktische Architektur (Mahler beschäftigte sich in dieser Zeit sehr intensiv mit Bach!). Immer wieder werden Stimmen im Orchester hörbar, die man bislang kaum bewußt wahrgenommen hatte. Erstaunlicherweise nimmt diese „nüchterne“ Gestaltung dem Werk nichts von seiner Größe – doch man wird diese möglicherweise in Zukunft besser verstehen. Das Konzept geht jedenfalls auf, im eröffnenden Trauermarsch ebenso wie im berühmten „Adagietto“, dem vielleicht lyrischsten Moment im Mahlerschen Werkkosmos. Es scheint fast so, als müsse man sich auf noch einen Mahler-Zyklus einlassen… (2025)