Rezension
Mahlers “Sechste” ist vermutlich seine im Aufbau klassischste Symphonie; gleichzeitig ist (inoffiziell, denn der Komponist zog den Untertitel vor Veröffentlichung zurück) das als “Tragische Symphonie” bekannte Werk sein vielleicht düsterstes: Siegt im ersten Satz noch das Gute in Form des Mahlers Frau gewidmeten “Alma-Themas”, so ist das darauf folgende Scherzo sinister und diabolisch; selbst die von Mahler so gerne verwendeten Naturlaute klingen wie ein Hohn. Trost spendet allenfalls der langsame, unglaublich stark durchkomponierte dritte Satz. Doch besteht dieser Trost in nostalgischem Träumen, im Vergangenen also. Im großen, erstaunlich streng der klassischen Sonatensatzform folgenden Finalsatz wird solchen Gefühlen denn auch brutal der Garaus gemacht… – Auch diese Liveaufnahme mit dem Orchester des Bayerischen Rundfunks unter Rafael Kubelik (vom 6. Dezember 1968) erweist sich als ein Höhepunkt der Mahler-Diskographie. Mit überwältigender Kraft bahnt sich das Schicksal hier seinen fatalen Verlauf; die berühmten Hammerschläge im letzten Satz sind vernichtend, das darauf folgende Ersterben fügt fast physischen Schmerz zu. Intensiver läßt sich Mahler auf Tonträger nicht erleben. (Über die Klangqualität der Audite-Editionen muß mittlerweile wohl nichts mehr gesagt werden – es sollte sich herumgesprochen haben!) (2004)