Rezension
In den 1980er war Frans Brüggen einer der ersten gewesen, die es gewagt hatten, das dominante Beethoven-Verständnis zu hinterfragen und mit seinem damals noch jungen Orchester des 18. Jahrhunderts diesem eine schlanke Aufführung mit vergleichsweise kleinem Ensemble und, natürlich, Originalinstrumenten entgegenzusetzen. Ein Vierteljahrhundert später (2011) spielte Brüggen den gesamten Zyklus noch einmal ein – die Aufnahme darf man durchaus als ein Vermächtnis betrachten. Man spürt die Erfahrung des Mittsiebzigers, sie äußert sich in etwas, was man mit „Gelassenheit“ nur schlecht beschreibt. Dieser Beethoven ist spannend, und er strahlt. Aber Brüggen mußte mit dieser Aufnahme nichts mehr beweisen, viele Auffassungen der Originalklang-Fraktion hatten sich längst durchgesetzt, auch bei den konventionellen Kollegen. Man kann sich also nun ganz um das Werk kümmern. In dieser Aufnahme – die „Pastorale“ ist durchaus exemplarisch – kann man das hören, an den großen Spannungsbögen ebenso wie an kleinen Details (etwa die solistischen Passagen der Holzbläser). Wie gerne hätte man die Gesamtausgabe auf Vinyl… Aber zumindest diese Sechste sollte man sich nicht entgehen lassen. (2024, rec. 2011)