Rezension
Audite setzt nach der sagenhaften Fünften den Kubelik-Mahler-Zyklus fort. Diesmal allerdings auf 180g-Vinyl, und daher auch zum vollen Preis (die versehentlich auf 120g gepreßte 5. ist immer noch für EUR 25.- zu haben – nutzen Sie’s!). Die Entscheidung des Audite-Chefs Ludger Böckenhoff, den Zyklus ausgerechnet mit der Siebten fortzusetzen, scheint ebenso ungewöhnlich wie mutig. Allerdings nur so lange, bis man die Einspielung gehört hat. Seit seiner Uraufführung wurde das Werk selbst von ausgesprochenen Mahler-Anhängern stets mit gemischten Gefühlen aufgenommen; es gilt bis heute als „sperrigste“, schwierigste unter den Mahler-Symphonien und wird am seltensten aufgeführt. Der Komponist allein, der die Symphonie unzählige Male redigiert und verbessert hatte, war der festen Überzeugung, daß ihre Zeit noch kommen werde. Auf die Gefahr hin, pathetisch zu klingen: Die Zeit kam. Und zwar genau am 5. Februar 1976, in Form dieser Aufführung, die glücklicherweise obendrein vom bayerischen Rundfunk in klanglich kaum zu verbessernder Form für die Nachwelt bewahrt wurde. Man hat gar nicht die Zeit, sich zu fragen, was denn nun angeblich mit der Siebten nicht stimmen soll – denn von den ersten Tönen an stellt sich dieses überwältigende Gefühl ein, Teil des Geschehens zu sein. Kubeliks Mahler nimmt einem nicht den Atem, er manipuliert ihn, bestimmt seinen Rhythmus. (Erstaunlich daran ist nur, daß auf seiner Studio-Einspielung für die deutsche Grammophon davon so gar nicht die Rede sein kann.) Der einleitende Trauermarsch, die beiden sehr unterschiedlichen Nachtmusiken, das zwischen ihnen liegende morbide Scherzo, das ausladende, formal fast Brucknersche Finale: nichts davon wirkt spröde oder gar langatmig, auch von übertriebener Theatralik kann nicht die Rede sein. Im Gegenteil, die von Mahler vertonten Emotionen, Bedrückung ebenso wie Erlösung, übertragen sich ungefiltert auf den Hörer. Intensiveres Musik-Erleben ist kaum denkbar – jedenfalls nicht über Tonträger. (2003)