Rezension
Der ungarische Violinist (Gründer des Keller Quartetts) und Dirigent leitet das Traditionsorchester seit 2007 und machte seither nicht nur durch die Qualität der Aufführungen international auf den Klangkörper aufmerksam, sondern auch durch außergewöhnliche Konzertprogramme mit viel zeitgenössischer Musik. Wenn er nun ein derart durchdekliniertes Repertoirestück wie Dvoráks „Neunte“ für eine Schallplattenaufnahme auswählt, darf man gespannt sein – und erwartet sicherlich keine „Neue Welt“ von der Stange. Schon im ersten Satz setzt Keller auf Kontraste – in bezug auf Dynamik ebenso wie auf Tempi. Die Klangfarben dabei sind warm und strahlend, durchaus „romantisch“ – es geht Keller nicht um eine „revolutionäre“, das Werk verbiegende Interpretation, wohl aber um neue Aspekte. Sehr bemerkenswert etwa im sehr langsam genommenen zweiten Satz – hier wird vielleicht besonders deutlich, daß Wilhelm Furtwängler Kellers wichtigstes Vorbild ist! Der Finalsatz ist mitreißend – und muß am Ende nicht dynamisch „ausgebremst“ werden: Tacet wandte hier einmal mehr den Trick an, die LP (Achtung: nur die zweite Seite!) verkehrt herum, nämlich von innen nach außen, laufen zu lassen, damit die lauten Passagen am Ende nicht unter dem systemimmanenten Spurwinkelfehler leiden. Und selbstverständlich gibt es auch diesmal am LP-Rand eine solide Auslaufrille, Absturzgefahr besteht nicht! (2023)