Rezension
Tatsächlich hatte man nach Rattles Beethoven-Zyklus mit den Wienern etwas anderes erwartet: Näher an Harnoncourt als an Karajan. Der britische Dirigent, hier seit acht Jahren Chef der Berliner Philharmoniker, suchte aber einen Mittelweg. Er fand ihn insbesondere für die erste und dritte Symphonie, in denen er die Klangkultur dieses großartigen Orchesters ideal für den sehr persönlichen, emotionalen Charakter der Werke nutzt. Höhepunkte gibt es freilich auch in den „geraden“ Symphonien, insbesondere in den Finalsätzen – besonders gelungen in der „Vierten“. Der Zyklus mag nicht ganz das stellare Niveau der zweiten Gesamtaufnahme (2016) auf dem Eigenlabel des Orchesters haben, doch die Direktschnittbox ist längst vergriffen und wird hoch gehandelt. Diese Einspielung zählt allemal zu den bislang interessantesten des 21. Jahrhunderts; die Vinylpremiere ist nur zu begrüßen (auch aufgrund des sehr ausgewogenen Klangbilds!). (2009/2022)