Rezension
Viel zu wenig Studioaufnahmen hat der schon fast manisch perfektionistische und selbstkritische Carlos Kleiber hinterlassen; die wenigen, die es gibt, genießen allesamt den Status von Jahrhundert-Einspielungen. Dazu gehört die Handvoll Aufnahmen, die der Dirigent für die Deutsche Grammophon machte: Beethoven-Symphonien, der legendäre “Freischütz” – und Schubert. Im Jahre 1978 gab es längst einen Fundus an höchstkarätigen Konkurrenzeinspielungen für die beliebte “Unvollendete” (die damals noch als Nr. 8 gezählt wurde); dennoch war man sich nach Erscheinen dieser LP einig: Dies war eine der bedeutendsten Einspielungen, die je auf Platte gepreßt wurden. Selten klangen die Stimmungs-Kontraste, der Weltschmerz dieses Werkes so eindrucksvoll wie hier – und gleichfalls selten wurde die Bedeutung seines Schöpfers als “Schnittstelle” zwischen Klassik und Romantik so deutlich. Keinesfalls unterschätzt werden sollte hier die Aufnahme der ungleich seltener gehörten dritten Symphonie: Auch dies ist reinster Schubert. In vielen Einspielungen schlägt die scheinbare Naivität seiner Melodien gerade bei den frühen Symphonien schnell in Langeweile um; hier dagegen wird sein Gefühl für Proportionen ebenso deutlich wie die Genialität, die hinter dieser vermeintlichen Einfachheit steckt: Ein Klangbad. – Reissue von Clearaudio. (1979/2005)