Rezension
Als Teenager in Nairobi verlor J.S. Ondara eine Wette. „Knockin‘ On Heaven’s Door“ habe natürlich Axl Rose geschaffen, war er sich sicher. „Bob who?“ Man lebt und lernt. Und manchmal hat man dabei Schlüsselerlebnisse. Die Entdeckung des gewaltigen Schaffens Bob Dylans war ein solches, und Ondara tauchte tief darin ein, hörte aber nicht damit auf, sondern versenkte sich in die Welt des amerikanischen Folk. 2016 ging er in des Meisters Heimatstaat, ließ sich in Minneapolis nieder, brachte sich das Gitarrespiel bei und hatte bald erste Auftritte. Seine ungewöhnlich feminine Stimme (man denkt etwa an Odetta oder Tracy Chapman) und seine Ausstrahlung machten bald die Runde – 2018 bereits unterschrieb er bei Verve / Forecast, der traditionellen Folk-Linie des Jazzlabels. Sein Debüt darf man schon als Sensation empfinden: Wie Ondara mit den Augen eines Afrikaners Amerika beschreibt, eindringlich und sensibel und in hochmelodischen Songs – so etwas hat man im Folk schon länger nicht erlebt. Und was die Stimme betrifft, so hat man vielleicht zum letzten Mal angesichts von Jeff Buckleys „Grace“ so gestaunt. Ein buchstäblich ergreifendes Album. (2019)