Rezension
Wir schreiben November 1963. Also deutlich vor Archie Shepps Impulse!-Debüt! Der Saxophonist hatte mit seinem Avantgarde-Ensemble The New York Contemporary Five ein Engagement in Kopenhagen gehabt und war, nachdem seine Kollegen (u.a. Clark Terry und John Tchicai) nach New York zurückgekehrt waren, noch etwas in der dänischen Hauptstadt geblieben und trat im Jazzhus Montmartre mit der damaligen Haus-Rhythm Section des Clubs auf, bestehend aus Tete Montoliu, dem 17jährigen Wunderbassisten Niels-Henning Ørsted Pedersen und Alex Riel. Für jenes vom Rundfunk übertragene (und daher in exzellenter Klangqualität vorliegende) Konzert vom 21.11. gesellte sich noch Schwedens Baritonsaxophon-Star Lars Gullin zu dem Quartett. Der war freilich eher im Cool- und Bop-Sektor zu Hause. Die Begegnung ist absolut faszinierend: Prinzipiell hören wir Straight-Ahead-Jazz, auf den Shepp sich mit hörbarem Vergnügen einläßt, sich dabei aber auch immer wieder in seinen Soli große Freiheiten nimmt. Die wiederum die Mitspieler offensichtlich als höchst inspirierend empfinden. Insbesondere Gullin nimmt immer wieder „Sheppismen“ in sein Spiel auf – so frei hat man ihn selten spielen hören. Aber auch das Trio wird immer wieder herausgefordert, wobei es ausgerechnet das jüngste Bandmitglieds ist, der die größte Gelassenheit zeigt: Der Bassist hatte allerdings erst kurz zuvor Albert Ayler begleitet und war durch nichts mehr aus der Ruhe zu bringen. Der dänische Rundfunk hielt an jenem Abend einen absolut einzigartigen Moment fest, in Shepps Diskographie so singulär wie in Gullins. Großartig, daß dieser Repertoireschatz (erstveröffentlicht im Jahre 1980) nach Jahrzehnten endlich wieder auf Vinyl vorliegt! (1980, rec. 1963/2024)