Rezension
Von Franz Liszt kennen wir das Phänomen der transzendentalen Virtuosität. Analog dazu kann man bei Herbert von Karajan vielleicht von transzendentaler Klangästhetik sprechen: Etwas, was weit über reine „Schönheit“ hinausgeht und mit Worten nicht wiederzugeben ist. Seine „Parsifal“-Vor- und Zwischenspiele stehen paradigmatisch dafür. Und diese Aufnahme von „Tod und Verklärung“, jener 1889 vollendeten Tondichtung, bei der man auch heute kaum fassen kann, daß der, der sie schuf, kaum 25 war. Was Karajan hier erreichte, dürfte weit über Strauss‘ eigene Idealvorstellung hinausgehen – denn ein Orchester, mit dem sich solche Perfektion hätte erreichen lassen, gab es damals noch nicht. Und es ist dabei gleichgültig, welche Orchestergruppe man einer genaueren Analyse unterziehen wollte, die Streicher leisten ebenso Übermenschliches wie die Holzbläser, das Blech oder die Perkussionisten. Doch diese LP (deren Ruhm, seit David Bowie sie zu einer seiner 25 Lieblingsplatten erklärte, weit über elitäre Klassikzirkel hinausgeht) hat natürlich auch noch eine zweite Seite, jenen aus vier Liedern bestehenden, zutiefst ergreifenden Abschied vom Leben des nun 84jährigen Komponisten. In der früh von ihm geförderten Gundula Janowitz hatte Karajan eine Idealbesetzung, die Feingliedrigkeit und Stimmvolumen auf wunderbare Weise verband – eine der schönsten lyrischen Sopranstimmen der bisherigen Schallplattengeschichte. Hier ist sie in ihrer vielleicht hellsten Sternstunde zu erleben. (1974/2023)