Rezension
Die schönsten Country-Platten, die es gibt, sind sehr wahrscheinlich die von Emmylou Harris, insbesondere die der mittleren bis späten 70er. Zu steigern ist das kaum, und es gibt auch nicht viel in dieser Klasse. Tift Merritt allerdings gelingt es seit ihrem 2002er Debüt immer wieder, mit diesen Juwelen gleichzuziehen, und auch bei diesem Album hier dauert es nicht lange, bis man weiß: Sie hat es wieder geschafft. Da ist etwas Echtes in dieser ohnehin wunderbaren Stimme, etwas, das sofort berührt. Natürlich ist ihre Phrasierung auch auf höchstem Niveau, aber das, was den Unterschied von sehr gut zu überragend ausmacht, ist mit gesangstechnischen Argumenten allein kaum zu erklären. Auf „Traveling Alone“ kommen da noch solch exzellente Musiker wie Marc Ribot, Calexico-Drummer John Convertino und Pedal Steel-Meister Eric Heywood (Son Volt, Freakwater, Joe Henry u.a.) hinzu; allein, wie letzterer seine Licks feinfühlig auf Merritts Gesang abstimmt (etwa in „Feeling Of Beauty“), kann auch hartgesottenen Vielhörern das Wasser in die Augen treiben. Und „Drifted Apart“, im Duett mit Andrew Bird gesungen (der hier sehr überzeugend das Roy Orbison-Erbe antritt), ist wahrscheinlich die Ballade des Jahres. Zeigt mir eine schönere. – So feierten wir 2012 eine der Americana-LPs der Dekade ab. Nun gibt es eine erweiterte Deluxe-Ausgabe dieser Sternstunde: Zehn zusätzliche, unveröffentlichte Akustik-Songs auf der Bonus-LP „Traveling Companion“, ein gebundenes, bibliophiles Textbuch mit Illustrationen der Künstlerin Diana Sudyka nebst acht ebenfalls von ihr gestalteten Kunstpostkarten. Ein objet d’art, wie es ein solches Meisterwerk verdient hat. Allzu lange dürfte das gute Stück freilich nicht erhältlich sein (die Höhe der Auflage ist uns aber leider nicht bekannt). (2013)