Rezension
1995 erlaubte sich der französische Komponist und Geiger Marc-Olivier Dupin den Spaß, eine Fantasie auf Themen aus “La Traviata” zu schreiben, wie sie zu Lebzeiten des Opernkomponisten gang und gäbe waren. Eine äußerst charmante Stilübung, in der wir nicht nur die Tonsprache Verdis, sondern auch die solch unterschiedlicher Zeitgenossen wie Johann Strauss’ Sohn oder Paganinis wiederfinden; dabei durchaus von einigem virtuosem Anspruch, den der russische Kollege Alexander Trostiansky (Jahrgang 1972) mit brillanter Technik und einer Menge Esprit erfüllt! Aus Verdis eigener Zeit stammt Antonio Pascullis “Grand Concerto” auf Themen aus der “Sizilianischen Vesper”, das eine Oboe als Soloinstrument verlangt. Auch dies kein Werk, das die Musikgeschichte verändert hätte, aber – wenn ausgeführt wie hier – ein ausgesprochenes Hörvergnügen. Hauptwerk dieser LP ist aber eine bemerkenswerte Einspielung des selten gehörten Streichquartettes von Verdi selbst – allerdings in einer von Yuli Turovsky, dem Leiter der I Musici de Montréal, so geschmack- wie effektvoll für Streichorchester gesetzten Fassung. Die einzige kammermusikalische Komposition Verdis, die jener zunächst als Stilübung betrachtet hatte und keinesfalls veröffentlicht sehen wollte (befreundete Musiker führten es trotzdem auf; die Begeisterung des Publikums bewegte seinen Schöpfer dann zum Umdenken), erweist sich auch in dieser Form als hochromantisches Juwel, das weit größere Popularität verdient hätte… – Das Chandos-Label bewies schon frühzeitig, daß man mit digitaler Aufnahmetechnik ausgezeichnete Ergebnisse erzielen kann. Diese nun erstmals auf Vinyl vorliegende Aufnahme aus dem Jahre 1997 ist da keine Ausnahme. Viel Luft und Raum prägen das detaillierte Klangbild; auch die Abbildung der Solovioline in der Traviata-Fantasie ist bemerkenswert! (1997/2013)