Rezension
Die langsamen Tempi und Chungs zarter, manchmal fast flüchtiger Ton: Wer Beethoven fordernd, revolutionär-stürmisch gar oder auch nur streng mag, ist mit dieser Aufnahme schlecht beraten. Doch haben wir es mitnichten mit einer beschönigenden Version zu tun (etwa im Sinne des späten Karajan), sondern – bei aller Lyrizität – ganz im Gegenteil mit einer äußerst emotionalen und tiefgründigen, und wer sie gehört hat, möchte sie kaum wieder missen wollen. Schon die Einleitung – wahrscheinlich das längste solistenfreie Orchestervorspiel der Konzertliteratur – verwundert in ihrer Sanftheit, und doch hat man ihr selten so konzentriert zugehört. Der Larghetto-Satz ist wohl einer der fragilsten überhaupt; was Chung und Tennstedt hier gelingt, ist kaum von dieser Welt. Der Beginn des Allegros ist hingegen von tänzerischer Leichtigkeit: Auch dies ein ungewöhnlicher Ansatz, doch unbedingt schlüssig und überzeugend umgesetzt. Definitiv eine Ausnahme-Einspielung, was durchaus auch für die anschließende Bruch-Interpretation gilt: Wie im Falle des Beethoven-Konzertes nicht Chungs erste Einspielung des Werkes, hier allerdings liegen nicht zwölf, sondern 20 Jahre dazwischen, und die Reife, die die Koreanerin in diesen Jahren gewonnen hat, ist unüberhörbar. Sie bewegt sich viel freier in der Partitur, und auch hier erweist sich der sensible Romantiker und Furtwängler-Bewunderer Klaus Tennstedt als geradezu idealer Partner. – 1992 erschien diese wunderbare Aufnahme natürlich nur auf CD, nach 30 Jahren darf man sich nun endlich über die Vinylpremiere freuen. (1992/2022)