Rezension
Dasselbe Konzert, zwei legendäre Violinistinnen – spannenderweise sogar mit demselben Orchester und Dirigenten, was den direkten Interpretationsvergleich auf den Violinpart konzentriert. Johanna Martzys Einspielung ist dabei die jüngere; es handelt sich um einen Livemitschnitt aus der Stuttgarter Liederhalle aus dem Jahre 1959; bei Ida Haendels Version handelt es sich um eine Studioaufnahme aus dem Sendesaal der Villa Berg von 1953! Unabhängig davon, daß jeder ernsthafte Violinsammler angesichts einer Vinylveröffentlichung solcher Schätze schier an die Decke gehen muß vor Glück, ist dies auch tatsächlich ein Paradebeispiel für Interpretationsvergleich (oder die Unmöglichkeit davon) und die Unumgänglichkeit von egal wie vielen Einspielungen der großen Werke des klassischen Repertoires in der eigenen Sammlung. In diesem besonderen Falle, ganz grob zusammengefasst: Aristokratisch, klar, aber doch höchst engagiert hebt Martzy das Strahlende an Mendelssohn hervor; die zum Zeitpunkt der Aufnahme deutlich jüngere Kollegin Haendel legt eine emotional mitreißende Auslegung vor, ohrenscheinlich ohne Netz und doppelten Boden – aber selbstredend bei voller technischer Kontrolle! Welche Interpretation da jetzt "besser" ist? Sehen Sie, genau das ist der Grund, warum klassische Musik ein solches Fass ohne Boden ist… (2016, Pressung aktuell)






