Rezension
Man hat immer Angst vor dem Ergebnis, wenn sich eine mythisch umrankte Formation nach Jahren zum Comeback aufrafft: Oft genug wurde der Mythos dabei nicht nur angekratzt, sondern zur Gänze zerstört. Doch Pete Doherty und Carl Barât setzen tatsächlich da an, wo sie 2004 aufgehört hatten. Natürlich sind sie nun beide keine 20 mehr, natürlich kann die gewaltige Explosion von „Up The Bracket“ und dem selbstbetitelten Nachfolger so nicht wiederholt werden. Aber „Anthems“ ist das kohärenteste Album, das irgendein Libertine seit der dramatischen Trennung der Band geschaffen hätte, mit Ausnahme von Dohertys phantastischem Ausflug in Singer/Songwriter-Gefilde „Grace / Wastelands“ von 2009: Barâts Soloarbeiten waren zwar besser als ihr Ruf, und die Platten von Dohertys Babyshambles hatten stets Momente von beachtlicher Brillanz (aber eben auch offensichtliches Füllmaterial) – doch hier zeigt sich, wie sehr die beiden sich offenbar doch brauchen, um auf Albumlänge leuchten zu können. Das Songwriting ist beachtlich, die Energie erstaunlich (und authentisch) – und Doherty Stimme zu hören ist sowieso wie stets ein Vergnügen. Die Libertines sind zurück, und sie gehören auch 2015 zu den verdammt besten Rock’n’Roll-Bands des Planeten. (2015)