Rezension

Gewiß nicht ihre zugänglichste LP – doch ebenso definitiv ist ihre deutliche Stellungnahme zum Vietnamkrieg aus dem Jahre 1972 einer der stärksten Momente ihrer Karriere, der späteren schon sowieso. Immer noch unglaublich ist ihre Marathon-Version von George Harrisons „My Sweet Lord“: Aufgeladen mit Gospel- und Soul-Energie verliert der Song trotz seiner Länge in keiner Sekunde an Energie. Simone webt überdies kunstvoll Zeilen aus David Nelsons Gedicht „Today Is A Killer“ in den Song ein. Unglaublich die Momente, da der Song während solcher ‘Rezitative’ fast zum Stehen kommt, um dann mit dem Refrain wieder zu explodieren. Eine seitenfüllende Sternstunde. Danach wird dem Hörer mit „Poppies“ erst einmal eine kurze Atempause gegönnt (wobei der Refrain schon wieder gut losgeht!) – doch das folgende „Isn’t It A Pity“ (die Platte legt den Verdacht nahe, Harrison hätte seine größten Songs für Nina Simone geschrieben…) ist schon wieder eine sagenhafte, elfminütige Über-Performance von kaum zu überbietender Intensität! Dabei bleibt der Song im Balladentempo und ist – im Gegensatz zu „My Sweet Lord“ – ganz sparsam arrangiert. Spannung ist eben keine Frage der Geschwindigkeit… – Die Speakers Corner-Ausgabe ist die wohl erste seriöse Vinylausgabe dieses Klassikers überhaupt – die Originalausgabe fiel in die Ära der unseligen Dynaflex-Floppies („Möchten Sie Ihre Platte gerollt oder gefaltet?“). Wer eine hat, kann die jetzt zum Archivexemplar erklären – hören sollte man von nun an diese hier! (1972/2006)