Rezension
Sie ist eines der größten lyrischen Talente unserer Zeit, und ihr Medium ist Rap. Was Hip Hop sein kann, hat sie auf ihrem LP-Debüt „Everybody Down“ 2014 gezeigt. Um nichts weniger sprachgewaltig ist der Nachfolger, und wenn die Britin spricht oder rappt, würde man gerne den Atem anhalten, aber kann es nicht lange genug. Es ist eine unglaubliche Autorität in dieser Stimme: Tempest kann es sich lässig leisten, auf alle im Genre üblichen Gesten der Selbstinszenierung vollkommen zu verzichten: Goldbehängte Trainingshosen-Poser rappt sie binnen Sekunden in Grund und Boden. Nicht nur in bezug auf Inhalt und sprachliche Eleganz, sondern, und das macht sie so bemerkenswert, auch in Sachen Flow. „Let Them Eat Chaos“ ist eine Art Konzeptalbum: Für ihre Beobachtungen hat sich die Autorin aus dem Sonnensystem gebeamt und fokussiert erst den Planeten, nähert sich ihm bis auf einen Häuserblock, der stellvertretend für das Ganze steht. Was sie dort findet, macht wenig Hoffnung, aber vielleicht rüttelt es auf. Mehr Kraft jedenfalls hatten Protestsongs selbst in den 60ern nicht, und mehr Groove nicht einmal bei Gil Scott-Heron. (2016)