Das Etikett „Post Punk“, das für ihre Band Savages noch zu gebrauchen war, haftet an Beths Solo-Debüt nicht mehr. Das erotisch aufgeladene (um nicht zu sagen: nicht jugendfreie) Werk vereint kühle reduzierte Balladen und scheppernden Industrial-Metal, Strip Club-Musik und John Carpenter-Soundtracks. So vielfältig es ist: Kalt läßt es einen in keinem Moment. Beths Ausstrahlung ist auch hier immens, nicht selten geradezu beängstigend. Sie gibt sich mal schutzlos und verletzlich, erklärt ihre Liebe zu einer Pole-Tänzerin oder gibt sich der männlich-aggressiven Seite ihrer Sexualität hin (im verstörenden „I’m The Man“). „Love is a miracle“ (Songzeile) ist sicherlich keine neue Erkenntnis, bekommt aber in der hier zu erlebenden Umgebung eine ganz neue Bedeutung. Ein überragendes Album, in einer Reihe mit den größten Arbeiten von Patti Smith und Polly Jean Harvey, in ihren durchaus kunstvollen Arrangements auch Kate Bush stehend, zum kontemplativen Hören denkbar ungeeignet: Diese Songs verlangen direkte Reaktion. Sehr viele ähnlich intensive Hörerfahrungen wird es dieses Jahr kaum geben. (2020)