Rezension
Inzwischen ist die amerikanische Pianistin mit chinesischen Wurzeln immerhin 26 (beim Debüt war sie gerade 17); der Wunderkind-Effekt ist also endgültig verraucht. Aus dem Staunen kommt man dennoch kaum heraus bei diesem vierten Album: Dieser federleichte, oft an Chick Corea erinnernde Anschlag, die offenbar grenzenlose Fantasie, wenn sie zu improvisieren beginnt, das völlig selbstverständliche Zurechtfinden in den komplexesten harmonischen Modulationen. Daß sie keine Lust hatte, Musik an einer Hochschule zu studieren und stattdessen den direkten Weg einer Musikerkarriere einschlug, ist nachvollziehbar – wer hätte ihr etwas beibringen sollen? Ein tieferes Jazz-Verständnis als das hier zu erlebende ist kaum denkbar, ein musikalischeres Spiel auch nicht. Ihr „Entdecker“ Bill Wysaske spielt auch hier wieder Schlagzeug, am Bass hören wir John Patitucci, Saxophonist Rich Perry gastiert auf mehreren Tracks, Flötist Katisse Buckingham im Opener „Prima Materia“. Aber es steht außer Frage, daß die zierliche junge Frau am Klavier alle Fäden in der Hand hat… (2022)