Rezension
Manche Veteranen der ersten Free Jazz-Generation sind ja mit zunehmendem Alter zugänglicher geworden. Bobby Bradford, legendärer Trompeter des Ornette Coleman-Quartetts, blieb sein ganzes langes Leben (er wurde im Juni 2024 90 Jahre alt) radikaler Avantgardist und ist es immer noch. Seit einigen Jahren arbeitet er mit dem eine Generation jüngeren Tubisten und Instrumentenbauer William Roper zusammen, und mit diesem Duo wollte Drummer Garth Powell, Highendern auch bekannt als Chefingenieur der Firma AudioQuest, gerne im Rahmen einer Konzertreihe des Open Gate Theatre in Los Angeles auftreten. Alles war organisiert, dann kam Covid. Da zwei Jahre später glücklicherweise alle noch am Leben waren, wurde ein neuer Termin angesetzt. Das Konzert fand statt, und Bobby Bradford war so begeistert davon, daß er vorschlug, die Zusammenarbeit zu intensivieren. So entstand die Idee zu diesem Album. Für das Powell natürlich die bestmöglichen klanglichen Voraussetzungen schuf! Die Session fand in den legendären East West-Studios statt, als Toningenieur konnte Steve Genewick gewonnen werden (zu dessen Kunden etwa Bob Dylan, Neil Young, Paul McCartney oder Diana Krall zählen), Joe Harley produzierte, das Mastering stammt von Kevin Gray. So kam es zu der vermutlich bestklingendsten Free Jazz-LP der Geschichte: Dynamik und Präsenz sind schlicht sagenhaft. Die Musik ist dabei so ziemlich das Gegenteil von dem, was man bei von High End-Labeln selbstproduzierten Jazz-Aufnahmen sonst so bekommt: Experimentell, gegen den Strich, Hörgewohnheiten hinterfragend. Dieses Quartett (der vierte Mann ist Klarinettist Brian Walsh) macht keine Kompromisse. Die Schnittmenge aus derart abenteuerlustigen Hörern und Hi-Fi-Freaks ist erfahrungsgemäß nicht groß – umso mehr muß man sich über diese Risiko-Produktion freuen. Platten wie diese kommen nicht oft. Bei genauem Nachdenken: Eigentlich nie. (2024)