Dies ist tatsächlich mal wieder ein Eintrag der „Bootleg Series“, der sich nicht nur an Komplettisten und Dylanologen wendet – jene brauchen natürlich die Sechs-CD-Version mit den kompletten Albumsessions. Hier aber finden wir, ohne gedoppelte Songs, sozusagen die Urversion des Albums, das dann „Blood On The Tracks“ wurde; zumindest eine (durchaus naheliegende und sinnvolle) Version davon. Verwendet wurden dafür ausschließlich die ursprünglichen Aufnahmen jener vier Studiotage in New York vom September 1974, bevor der Meister (nachdem bereits Testpressungen an Kritiker verschickt worden waren) das Konzept eines intimen Akustik-Solo-Albums dann doch wieder strich und in Minnesota neue Versionen der Songs aufnahm. Wer die bislang kursierenden Bootleg-Versionen dieser Akustiksessions nicht kennt, wird meinen, das wohlbekannte Album zum allerersten Mal zu hören. Man staunt über die Reduziertheit, über die Präzision des Vortrags. Und nicht zuletzt über die Verletzlichkeit, mit der Dylan sich hier präsentierte – als würde man ihn zum ersten Mal ohne eine seiner zahlreichen Masken sehen. Was der Grund gewesen sein mag, warum er damals kurz vor knapp die Notbremse zog. Dies ist fraglos essentieller Dylan, nur der Titel ist fragwürdig – „True Blood“ oder „Blood Naked“ wären sinnstiftender gewesen. (2018)