Rezension
Man feierte im März 2025 den 150. Geburtstages eines echten Universalgenies. In den nur 36 Jahren seines Lebens schuf Mikalojus Konstantinas Ciurlionis über 400 Kompositionen, etwa 300 Kunstwerke und ein großes literarisches Werk (Prosa und Lyrik, verfaßt auf Polnisch, damals die Sprache der gebildeten Litauer. In Kunstkreisen ist Ciurlionis bekannt als einer der Wegbereiter der abstrakten Malerei in Europa; sein musikalisches Schaffen aber ist jenseits des Baltikums praktisch unbekannt. Was, wie sich mit diesem Album zeigt, wohl ein Fehler sein könnte. Denn die hierfür ausgewählten zwei Symphonischen Dichtungen, ein kleineres Chorwerk und drei Klavierminiaturen offenbaren eine Welt! Die Tonsprache kann dabei an Mahler erinnern, doch war Ciurlionis offenbar ein weniger morbider Mensch; seine meist Natur-inspirierten Kompositionen haben keine doppelten Böden und Abgründe – Grieg oder Sibelius sind diesbezüglich sicher näher. Namen, mit denen Ciurlionis offenbar durchaus auf Augenhöhe steht. Hier scheint es einigen Nachholbedarf zu geben – denn die wenigen in der Sowjetära entstandenen Aufnahmen auf dem Staatslabel Melodiya sind höchst selten, westliche Lizenzausgaben gab es so gut wie nicht. Die hier zu hörenden hervorragenden Aufnahmen mit der litauischen Dirigentin Mirga Gražinytė-Tyla sind ein ausgezeichneter Anfang! (2025)