Rezension
Dieses dritte Blue Note-Album dürfte wohl das bislang ambitionierteste des Saxophonisten sein. Es ist ein politisches Werk, es geht um afroamerikanische Identität und Geschichte, die vom weißen Amerika gerne vollständig ausgeblendet wird. Es ist gleichzeitig ein sehr spirituelles Werk, inspiriert von Wilkins‘ tiefem Glauben und seiner Überzeugung, daß die Vorfahren und die Verstrickung von Blutlinien einen starken Einfluß auf unser Leben haben. Die menschliche Stimme spielt eine Schlüsselrolle dabei. Die drei Haupt-Sängerinnen haben alle einen anderen unterschiedlichen kulturellen Hintergrund: Ganavyas Wurzeln liegen in Südindien, Alyssa McDoom ist im US-Folk zuhause, Yaw Agyemen stammt aus Ghana; dazu kommt noch die fabelhafte Cecile McLorin Salvant auf drei Stücken. Der Gesang ist nicht immer konkret (also mit Text), sehr oft werden die Stimmen wortlos, als Klangfarben, eingesetzt, als zusätzliche Instrumente neben dem Stammquartett aus Wilkins, Pianist Micah Thomas, Bassist Rick Rosato und Schlagzeuger Kweku Sumbry; zusätzlich sind auch noch Gitarrist Martin Sewell und Drummer Chris Dave zu hören. Die einzelnen Stücke sind nicht voneinander zu trennen, sie haben zwar Titel, sind aber allesamt Teil eines Gesamtkunstwerkes – für das man sich entsprechend Zeit nehmen sollte, denn das Werk ist lang. Längen hat es allerdings nicht. (2024)