Rezension
Mit seiner überwältigenden Darbietung des dritten Rachmaninoff-Konzertes wurde Yunchan Lim 2022 zum jüngsten Gewinner des internationalen Van Ciburn-Wettbewerbes. Hier begegnen wir dem immer noch erst 21jährigen Klavierwunder auf gänzlich anderem Terrain. Auch russische Romantik zwar, doch Tschaikowskys "Jahreszeiten"-Zyklus ist Kammermusik, bzw. sogenannte Salonmusik. Er erschien bekanntlich als "Fortsetzungsroman" über zwölf Ausgaben einer Petersburger Musikzeitschrift und wird in der Literatur gerne als im Grunde zweitklassige Auftragsarbeit abqualifiziert. Den zweiten Teil dieses Urteils kann man nicht leugnen, ohne den Auftrag des Verlegers Nikolay Bernard gäbe es das Werk nicht. Der erste Teil wurde durch etliche hervorragende Aufnahmen (etwa Svjatoslav Richter, Igor Shukov, erst unlängst Bruce Liu) nachhaltig widerlegt. Yungchan Lims Einspielung ist ein weiteres, schwerwiegendes Argument für die Klasse der Komposition. Freilich auch für die Klasse des Pianisten Lim, der hier beweist, daß er vielmehr ist als ein weiterer Tasten-Pyromane. Der junge Mann überrascht zunächst mit dem Konzept, das er dem Zyklus unterlegt hat: Dem letzten Jahr im Leben eines alten Mannes. Entsprechend ist seine Färbung der Musik überwiegend melancholisch, wenn nicht dunkel. Man staunt ein ums andere Mal, welchen Tiefgang die angeblich oberflächliche Salonmusik unter seinen Händen entwickelt. Seine Idee zu dem Zyklus scheint ungewöhnlich, mag sogar weit hergeholt sein, allein: Die Umsetzung überzeugt auf ganzer Linie, und man darf konstatieren, daß sie den Blick auf das Werk nachhaltig zu verändern in der Lage ist. Was sogar für die viel gehörte "Barcarolle" (Juni) gilt. Ein besonderer Höhepunkt ist allerdings der Oktober, den Lim mit der 25. Variation aus Bachs Goldberg-Variationen vergleicht. Irgendwann wird er auch diesen Zyklus aufnehmen. Man darf sich jetzt schon darauf freuen. (2025)






