Die Flohmärkte stehen voll von alten Operetten-Gesamtaufnahmen, -Querschnitten und -Ariensammlungen: Niemand mag Opas Lieblingsmusik mehr haben; dieser Zweig europäischer Musikkultur ist so gut wie ausgestorben, verdrängt vom popaffineren amerikanischen Musical der schematischen Lloyd Webber-Machart. Was damit verloren ging, zeigt diese wunderbare Schallplatte, zusammengestellt aus Archivschätzen des Bayerischen Rundfunks der Jahre 1959 bis ’65. Fritz Wunderlich war der letzte Großmeister dieser Gattung, deren Glanznummern – geschaffen etwa von Franz Léhar, Albert Lortzing, Carl Millöcker, Eduard Künneke oder Robert Stolz) einst von den Stimmen eines Richard Tauber oder Peter Anders vergoldet worden waren. Wunderlich war noch Teil dieser Kultur, war mit dieser Musik im Radio aufgewachsen, hatte sie selbstverständlich verinnerlicht – und genauso sang er sie auch: Ohne intellektuellen Umweg, buchstäblich mit Herz und Seele. Deswegen wirken seine Interpretationen auch nach über 50 Jahren unglaublich lebendig und, ja, ansteckend: Man fragt sich, wie eine derart charmante und melodieselige Musik ihr Publikum so vollständig verlieren konnte: Es fatales kulturelles Missverständnis. Wer diese LP gehört hat, mag vielleicht auch auf dem nächsten Flohmarkt mal einen Euro für einen „Gräfin Dubarry“-Querschnitt investieren… (2017)