Rezension
61 Jahre war es her, daß Vladimir Horowitz zuletzt russischen Boden betreten hatte. Sein Moskauer Konzert im April 1986 war entsprechend ein Großereignis, das international im Fernsehen ausgestrahlt wurde und selbstverständlich auch umgehend auf Schallplatte veröffentlicht wurde. Der 83jährige Klaviergigant, den man damals wohl mit Recht als den „letzten Romantiker“, den letzten aktiven Vertreter einer vergangenen Epoche bezeichnete, schenkte dem Moskauer Publikum eine pianistische Sternstunde. Anstatt sogleich mit dem großen romantischen Repertoire durchzustarten, begann der alte Mann mit einer Scarlatti-Sonate, so delikat gestaltet, daß das Publikum buchstäblich den Atem anhielt; auch die folgende Mozart-Sonate KV 330 ist an Feinsinn kaum zu übertreffen. Erst danach beginnt die „Horowitziana“: Rachmaninoff, Scriabin, Liszt; dann noch zwei wunderbare Chopin-Mazurken. Schumanns „Träumerei“ in selten gehörter Versunkenheit: In der Filmversion sieht man, wie bei erwachsenen Menschen still Tränen fließen. (1986/2018)