Rezension
Mike Reid steht sicherlich für eine der ungewöhnlichsten Doppelbegabungen in der jüngeren Musikgeschichte: Während seines Musikstudiums (Klavier), das immerhin in mehreren Auftritten mit dem Utah Symphony Orchestra resultierte, begann Reid erst halbprofessionell Football zu spielen, 1970 war in der amerikanischen Nationalmannschaft. Nach seiner aktiven Sportkarriere kehrte er zur Musik zurück – nun aber als Songwriter in Nashville. Vor allem Ronnie Milsap zählte zu seinen regelmäßigen Abnehmern; für das von jenem gesungene "Stranger In My House" bekam Reid 1984 den Grammy für den besten Country-Song. Etwa 40 Jahre später lernte der Mittsiebziger auf einem von Rodney Crowell organisierten Songwriter-Workshop den Kollegen Joe Henry kennen (beim Mittagessen). Die gegenseitige Sympathie war groß – und auf Henrys vorsichtige Anfrage nach einer Kooperation antwortete Reid mit den schönen Worten: "Let's push off the dock and into the fog – and we'll see what we find." Gefunden wurde schließlich ein wundervolles, intimes, atmosphärisches Album mit Texten von Henry und Melodien von Reid; der Veteran singt sie mit seinem warmen Bariton und spielt dezent Klavier dazu, Henry besorgte behutsam die übrigen Arrangements (wozu auch ein Gastauftritt von Bonnie Raitt als Harmoniesängerin gehört). Wer Americana der nachdenklichen, introvertierten Art ganz besonders schätzt, wird nicht lange brauchen, um dieses Album zu lieben. (2025)