Rezension

Gottseidank gibt es von Zeit zu Zeit immer wieder Lichtgestalten in der Popmusik, die ihr die Glaubwürdigkeit erhalten und sichern. Der junge Conor Oberst war so eine. Zum Zeitpunkt dieses monolithischen Albums war er gerade 22, Bright Eyes waren nicht seine erste Band, und „Lifted“ war bereits die dritte Platte unter diesem Namen. Das zu wissen, ist eigentlich nicht wichtig, aber es verstärkt das überwältigende Gefühl beim Hören dieses Albums. Hier ist ein Genie am Werk. Ein Mensch, der nicht nur das Handwerk des Songwriting beherrscht, sondern der vor allem die seltene Gabe besitzt, starke Emotionen direkt zu vermitteln. Durch Melodien, durch den richtigen Ton am richtigen Ort, aber besonders durch seine Stimme. Einer Stimme, der man zuhören muß. Das Album beginnt durchaus sperrig, mit einem langen Akustik-Solo-Song, einer Art Talking Blues, im Demo-Tape-Zustand. Aber schon hier wird sofort klar, daß da einer singt, der etwas zu sagen hat. Der nicht Teil des Pop-Business as usual ist: Ein Poet. Einer, der sich sein Anliegen, sein Leid im wahrsten Wortsinn von der Seele singt. Der Texte schreibt, die auch ohne musikalisches Beiwerk wichtig sind, die Literatur sind. Einer der Großen. Es folgten bekanntlich noch etliche Alben, die das bestätigten, aber nach diesem hier konnte keines den Hörer mit solcher Wucht treffen. (2002/2022)