Rezension
Die Intensität dieses Mitschnitts (übrigens vom Jazzfest Berlin, 2019) läßt an die religiöse Ekstase eines Exorzisten denken, aber die Mistress Of Ceremony weiß stets genau, was sie tut und hat die Fäden sicher in der Hand. Man merkt das etwa an einer Regieanweisung wie dieser in Richtung Mischpult: „Turn brother Julian up! That bass gotta hit!“ Andernorts wieder klingen viele ihrer unglaublichen Klarinettensoli oder Gesangseinlagen (wenn sie jede einzelne Silbe dem Publikum förmlich ins Gesicht spuckt), als habe sie jedes Bewußtsein ausgeschaltet, als spräche die reine gequälte Seele direkt zu einem. Albert Ayler behauptete einst, er spiele doch nur dieselbe Musik wie die ganz frühen Marching Bands in New Orleans, und wer genau hinhörte, mußte ihm Recht geben. Hier verhält es sich durchaus ähnlich: Zwar zählt man die Chicagoer Musikerin zur aktuellen Avantgarde der Windy City, aber im Grunde sind sie und ihre Band ganz nahe an den Wurzeln von Gospel und Jazz. Mit einer ungebremsten Energie und Dringlichkeit freilich, der man auf Oldtime-Veranstaltungen so wohl eher nicht begegnet. Mit „Feuerwerk“ ist das nur unzureichend beschrieben, zudem ein solches ja meist der reinen Unterhaltung dient. Das hier ist ein schonungsloses, reinigendes Fegefeuer. (2021)