Rezension
Hätte sich Vashti Bunyan vor vielen Jahren nicht fürs Familienleben, sondern für die Musik entschieden, hätte ihr Ruhm vielleicht gar den ihrer Kollegin Sandy Denny überstrahlt. Denn sie verfügt über eine der schönsten Stimmen, die es im britischen Folk je gab, und ihre Songs sind von berückender, kaum zu beschreibender Schönheit. Sehr wahrscheinlich aber war ihre Entscheidung richtig, denn es war vor allem eine Entscheidung gegen das Musikgeschäft, und das hat bekanntlich schon manchem hochbegabten Künstler buchstäblich das Genick gebrochen. Vashti Bunyan lebte ihr Hippie-Ideal in ihrer irischen Idylle mit Kindern, Familie und Freunden – und dies sowie die kleinen täglichen Dinge sind die Themen ihres zweiten Albums, erschienen 2005, 36 Jahren nach dem ersten. Eine neue Generation Musiker hatte damals das Hippietum entdeckt – und Bunyans legendäres Debüt. Was zur Folge hatte, daß sie erst von verschiedenen Vertretern jener Generation zur Mitwirkung auf deren Platten eingeladen wurde (u.a. Devendra Banhart und Animal Collective) und schließlich tatsächlich selbst wieder ins Studio ging. Ergebnis war ein aus der Zeit gefallenes Werk, das dem fast schon mythisch verklärten "Just Another Diamond Day" (1970) in nichts nachsteht. Es gibt viele Gäste auf diesem Album, das Bunyan in der Hauptsache mit dem Komponisten Max Richter gemeinsam geschrieben hat. Namen wie Adem, Banhart, Joanna Newsom und Robert Kirby (ja: der Nick Drake-Arrangeur, der schon für ihr Debüt die Streichersätze geschrieben hatte, spielt hier Trompete!). Es ist sehr schön, daß sie mitspielen; essentiell war es nicht. Bunyans Songs stehen für sich selbst. Ein spätes Meisterwerk einer Gattung, die es so eigentlich schon lange nicht mehr gab… – Der Geburtstagsausgabe ist eine zweite LP zur Seite gestellt – eine Alternativ-Version des Albums enthaltend, bestehend aus Demos, Alternate Takes und Liveaufnahmen der Jahre 2001 bis 2006. Manche davon sind womöglich noch schöner und fragiler als die Albumversionen… (2005/2025)