Rezension

Natürlich muß man Marc Ribot niemandem vorstellen, er ist einer der bedeutendsten Gitarristen der Pop-, der Jazz- und der Avantgardewelt, er hat eine lange eigene Diskographie vorzuweisen und eine noch viel längere als Sideman, sei es von Tom Waits, John Zorn oder Elvis Costello. Taucht sein Name auf einer Besetzungsliste auf, kann man das betreffende Album bedenkenlos erwerben. Und doch kann man dieses nach einer Zeichnung seiner Tochter benannte Album mit Recht als das Debüt des 71jährigen bezeichnen. Denn es ist das erste Album des Singer/Songwriters Marc Ribot. Erste Skizzen dazu entstanden bereits in den 90ern, Ribot kehrte über 30 Jahre immer wieder zu ihm zurück. 2014 wäre es beinahe fertig geworden, aber die Ergebnisse mit dem befreundeten Produzenten Hal Willner empfand Ribot als unbefriedigend, er legte das Projekt zurück in die Schublade. Nun ist es endlich soweit – und es ist ein Album wie kein anderes. Es sind merkwürdige Songs: eingängig und sperrig gleichermaßen, sehr privat und doch allgemeingültig. Man kann sie als Americana bezeichnen, aber eigentlich bilden sie ihr eigenes Genre. Die Geister der großen Ikonen – Hank Williams, Johnny Cash – sind zugegen, ohne wirklich greifbar zu sein. Andere Musiker gibt es, aber meist nur sehr sparsam: Ribots Stimme und sein einzigartiges Gitarrenspiel stehen im Zentrum. Das letzte Stück ist ein Instrumental, eine abstrakt-surrealistische Wall Of Noise, die scheinbar gar nichts mit Vorangegangenen zu tun hat. Vielleicht ist es aber auch die Zusammenfassung in einer anderen Sprache. Man wird sich lange mit diesem Werk befassen müssen. Es ist wahrscheinlich das Bedeutendste in der langen Karriere dieses Extremmusikers. (2025)