Rezension
Das zweite Album des klassischen Davis-Quintetts der 60er (bestehend aus Miles, Wayne Shorter, Herbie Hancock, Ron Carter und Tony Williams) ist eine Art primus inter pares: Müßte man sich für ein Werk aus dieser Phase entscheiden, wäre es wahrscheinlich dieses. Warum? Weil hier akustischer Jazz noch einmal vollkommen neu klingt, Davis eine neue Form und Sprache gefunden hatte, die nicht Free Jazz war, aber ebenso revolutionär klang. Die Uptempo-Nummern, das eröffnende „Orbits“ etwa, sprechen für sich, aber auch eine Ballade wie „Circle“ – in den Klangfarben trotz kleiner Besetzung an Davis‘ Arbeiten mit dem Gil Evans Orchestra erinnernd – wiegt den Hörer nie in Sicherheit, fordert stete Aufmerksamkeit. Unglaublich das Ensemblespiel: Man kann Stunden allein damit zubringen, sich auf Ron Carters Bass (gerade auf „Circle“) zu fokussieren, oder Williams‘ atemberaubende Rhythmik (Beispiel: „Footprints“) zu verfolgen. Wie gesagt: Zwischen den anderen Meisterwerken dieser Besetzung (von „E.S.P.“ bis „Filles de Kilimanjaro“) fällt die Auswahl schwer, aber hier scheint die Kraft dieser sagenhaften Band doch besonders gebündelt zu sein! – Speakers Corner-Reissue auf gewohnt hohem Niveau. (1966/2008, Pressung aktuell)