Nur wenige LPs in der Geschichte der populären Musik veränderten deren Gesicht so nachhaltig – und ebenso wenige klingen nach etlichen Jahrzehnten ungebrochen visionär. Ein Mangel an Visionen war es übrigens, der Klaus Dinger und Michael Rother 1971 dazu bewog, bei Kraftwerk auszusteigen – und ob es deren „Autobahn“ 1974 so gegeben hätte, wenn die ‚Hinterbliebenen‘ sich nicht sehr genau das Neu!-Debüt angehört hätten, darf bezweifelt werden. Eine solche Herangehensweise an Musik hatte es zuvor allenfalls in der Minimal Music gegeben; mit dem klassischen Popsong-Format hatte das nichts gemein. Die Albumeröffnung „Hallogallo“ etwa ist ein schwereloses Dahingleiten, ein Song, in dem nach herkömmlichem Verständnis eigentlich nichts geschieht – und doch hört man vom ersten bis zum letzten Takt gebannt zu. Man könnte hier jeden einzelnen Track analysieren, vor allem auf seine Nachwirkungen – Brian Eno, Joy Division, Stereolab oder Tortoise sind nur einige von vielen Kollegen aus den folgenden Jahren und Jahrzehnten, bei denen der Einfluß des Neu!-Erstlings nicht wegdiskutierbar ist… (1972/2010)