Rezension
Unglaublicherweise ist das wirklich das Album-Debüt des 62jährigen Soul-Veteranen, dessen Schlüsselerlebnis es war, als ihn seine große Schwester anno ’62 mit zu einer James Brown-Show im Apollo nahm. Seither arbeitete Bradley hart an einer eigenen Karriere als Soulsänger und Songwriter. Doch dazu braucht man nicht nur Talent (das hatte er reichlich), sondern auch etwas Glück, und das blieb ihm fern. Der Mann, der als Kind einer bettelarmen Familie buchstäblich in den Straßen von Brooklyn aufwuchs, war immer wieder auf seinen dank eines Sozialförderungsprogrammes erlernten Beruf als Koch angewiesen. Bis dann endlich Gabriel Roth auf ihn aufmerksam wurde, seines Zeichens Hausherr in der ersten Adresse für Soul der alten Schule, Daptone Records. Die häßlichen Seiten menschlicher Existenz ließen ihn allerdings weiterhin nicht los: Eines Morgens wachte er auf, um die Leiche seines Bruders zu finden, erschossen von seinem Neffen. Es war Roth, der Bradley darin bestärkte, diese traumatische Erfahrung in einem Song zu verarbeiten. „The World (Is Going Up In Flames)“ eröffnet nun sein erstes eigenes Album, auf dem Bradley von der wie immer überragenden Menahan Street Band begleitet wird. Ein Album, das von erschütternder Authentizität und Emotionalität ist. Und sage niemand „retro“, weil es mehr nach 1966 als nach 2011 klingt: Dies ist die Musik, mit der Bradley aufwuchs, die er verinnerlichte, und die ihn am Leben hielt. Es ist die Musik des Charles Bradley, und er hat ganz sicher keinen Grund, eine andere zu machen. (2011)