Rezension
Die (bekanntlich hausgemachte) Krise der klassischen Musik bei den großen Plattenfirmen hat auch ihr Gutes: Was noch vor 20 Jahren absolute Ausnahmeerscheinung war, kommt heute immer öfter vor – daß nämlich Interpreten von internationalem Rang & Namen mit kleinen audiophilen Labels zusammenarbeiten. Siehe Fonè (Salvatore Accardo, Uto Ughi); siehe nun auch Clearaudio. Der Pianist Gerhard Oppitz hatte in den 90ern noch einen Exklusivvertrag bei RCA Red Seal – der 1953 geborene Pianist hatte 1977 als erster Deutscher den Artur Rubinstein-Wettbewerb in Tel Aviv gewonnen (was beinahe ebenso sensationell war wie der historische Sieg des Amerikaners Byron Janis in Russland), bekam 1981 eine Meisterklasse an der Münchener Musikhochschule (als jüngster Professor in der Geschichte des Instituts) und machte international durch seine Gesamteinspielungen z.B. der Beethovensonaten, des gesamten Brahmsschen und des Griegschen Klavierwerks sowie der selten gespielten Klavierkonzerte Carl Maria von Webers von sich reden – begleitet von außerordentlicher Konzerttätigkeit rund um den Globus. Da spielt er dann auch schon mal den kompletten Schubert innerhalb von elf Konzertabenden. In seiner Generation ist Gerhard Oppitz definitiv einer der weltweit bedeutendsten Pianisten, und das hört man vorliegender Neueinspielung – exklusiv für Clearaudio – auch an: Der unglaubliche Farbenreichtum Debussys verlangt die Fähigkeit zu extremster Nuancierung. Das Klavierwerk des Franzosen hat ja eine Schlüsselstellung in der Musikgeschichte inne: Die Auflösung der klassisch-romantischen Strukturen; die Entfernung von der Form zugunsten des reinen Klangs. Wie radikal diese Musik zu ihrer Entstehungszeit um die vorletzte Jahrhundertwende geklungen haben muß, kann man sich heute kaum noch vorstellen – zumal sie wesentlich schneller in die allgemeinen Hörgewohnheiten integriert wurde als etwa die der zweiten Wiener Schule (die das nach 100 Jahren immer noch nicht geschafft hat – leider). Es liegt auf der Hand, daß die klangliche Seite hier eine große Rolle spielt. Glücklicherweise konnte für die technische Seite der Aufnahme gleich noch eine Legende gewonnen werden: Heinz Wildhagen, einst einer der besten Männer im Technikstab der Deutschen Grammophon, zeichnet dafür verantwortlich! Wir wünschen uns für die Zukunft weitere solche Kooperationen und freuen uns einmal mehr über eine mutige Repertoirepolitik, fern vom ‘audiophilen Standard’! (2007)