Niemand, wirklich niemand hatte an den Erfolg dieses Albums geglaubt. Ein Country-Konzept-Album (diesbezüglich allerdings konnte Nelson auf den Erfolg des Vorgängers „Phases And Stages“ verweisen) an sich war ja schon ein merkwürdiger Gedanke, aber Nelsons Geschichte eines Predigers auf der Flucht vor seinen Richtern, nachdem er seine Frau ermordet hatte, erzählt anhand minimalistisch instrumentierter Miniatur-Songs von teils nicht einmal Minutenlänge: Ein sicherer Flop! Columbia Records weigerte sich auch zunächst, das herauszubringen, doch hatte der Outlaw sich absolute künstlerische Unabhängigkeit vertraglich zusichern lassen – also kam das Album auf den Markt. Und schlug dort ein. „Red Headed Stranger“ bedeutete Nelsons endgültigen Aufstieg in die Superstar-Liga, das Album belegte Platz Eins der Country-Charts, Nelsons kongeniale Coverversion des Acuff/Rose-Klassikers „Blue Eyes Crying In The Rain“ wurde gar mit einem Grammy ausgezeichnet; Album wie Single stiegen auch in den Pop-Charts weit nach oben. Da hatte man ganz offenbar das Publikum unterschätzt: Denn „Red Headed Stranger“, Nelsons unbestrittenes Meisterwerk, ist ein Country-Album zum durchgehenden Zuhören, wie ein am nächtlichen Lagerfeuer erzähltes Epos; eine Mörderballade auf Albumlänge. Und in der Ferne heulen die Koyoten. (1975/2019)