Rezension
Sie hätten nun ganz einfach die nächsten U2 werden können, das Potential war ohne Frage vorhanden. Die Vorab-Informationen zum vierten Album hatten auch durchaus etwas Gigantomanisches: Gastauftritt von David Bowie; Produktion von James Murphy (LCD Soundsystem); 60 Songs in Haiti, New York und Jamaika aufgenommen, daraus ein 13-Song-Album destilliert, das um eine Minute die Laufzeit einer Einzel-CD sprengte (Letzteres kann uns natürlich gleichgültig sein). Das Ergebnis war aber nicht der zu erwartende Blockbuster, auch wenn der eröffnende Titelsong (der mit Bowie) schon durchaus Hitcharakter hat. Was dann folgt, muß man sich jedoch erarbeiten. „Reflektor“ geht in unzählige Richtungen gleichzeitig, reflektiert dabei eine Menge: Reggae und New Wave, Punk und Glam, Roxy Music und The Cure, Velvet Underground und Neil Young. Und welche Farben und Aspekte gerade an die Oberfläche kommen, hängt nicht zuletzt von der Befindlichkeit und Tagesform des Hörers ab. Hier rote Fäden zu finden, ist schwierig – aber man braucht sie auch gar nicht. Im besten Fall wird man sowieso jedes Mal ein anderes Album hören, auch wenn immer mehr Details im Gedächtnis haften bleiben. Wer ein Argument für die Behauptung benötigt, daß früher doch nicht alles besser war, sondern Popmusik heute vielschichtiger und komplexer denn je ist, hat hier ein schwerwiegendes. Die Gefahr ist allerdings groß, daß der zu Überzeugende beim ersten Anlauf überhaupt nicht versteht, was Sie ihm sagen wollen… – Neupressung! (2013/2025)