Rezension
Vergleichbar mit dem Werk von Camae Ayewa alias Moor Mother ist vielleicht nur das von Matana Roberts – wenn auch sicherlich nicht eins zu eins, denn beide Künstlerinnen sind ja extrem individualistisch in ihrem Ansatz. Auch bei Ayewa geht es immer wieder um die bittere Geschichte der afroamerikanischen Bevölkerung. Das Thema des aktuellen Albums ist zumindest eng damit verwandt – es geht um die Slavery Abolition Acts des britischen Parlaments von 1833 und 1835, mit denen die Sklaverei im Kolonial-Weltreich offiziell abgeschafft wurde und für die die Regierung die damals irrwitzige Summe von 20 Millionen Pfund für Entschädigungszahlungen in die Hand nahm; die Kredite dafür wurden erst vor wenigen Jahren endgültig abbezahlt. Entschädigt wurden freilich nicht etwa verschleppte Afrikaner, sondern deren Besitzer für ihren wirtschaftlichen Verlust, und finanziert haben es letztlich die Steuerzahler – unter anderem dann auch die Nachfahren der ehemaligen Sklaven. Ein viel zu wenig bekannter historischer Skandal, den Ayewa hier mit einem naturgemäß nicht eben leicht verdaulichen Werk offenlegt. Einige der derzeit bedeutendsten Jazz- und Avantgardemusiker (u.a. Ambrose Akinmusire, Vijay Iyer, Mary Lattimore, Spencer Yeh, Aaron Dilloway) wirken dabei unterstützend, im Zentrum der kollagenartigen Tracks steht jedoch meist Ayewas eindringliche (Sprech)stimme. Harte Kost, sicher, aber unbedingt wert,sich damit auseinanderzusetzen. (2024)