Rezension
Der schlichte Albumtitel läßt natürlich sogleich an Keith Jarrett denken, und man könnte dem Norweger Respektlosigkeit und Vermessenheit, ja Größenwahn vorwerfen. Dergleichen Gedanken hat man allerdings schon nach den ersten Minuten dieses nachgerade überwältigenden Livemitschnitts verworfen: Schuhe, die zu groß wären, gibt es für Espen Berg offenbar nicht. Bislang vor allem mit seinem Trio, einem der besten des jüngeren skandinavischen Jazz‘, positiv aufgefallen, erweist sich Berg hier als Solist von gigantischem Format. Die Musik hier – es gibt wie bei Jarrett in solchen Fällen keine Titel; das Konzert besteht aus zehn vollständig improvisierten Teilen. Bergs Imagination ist dabei ebenso stupend wie seine Technik; lyrische, dramatische, hochvirtuose und sparsame Parts wechseln sich auf eine Art ab, daß man die Stimmungsänderung oft erst realisiert, wenn sie längst vollzogen ist. Was dieser Mensch hier am Klavier erschafft, ist wahrhaft überwältigend – und hält nicht nur jedem Vergleich mit dem amerikanischen Klaviergott stand, es steht auch auf ganz eigenen Füßen, denn Berg hat mit Ende 30 längst eine ganz eigene, originäre musikalische Sprache entwickelt. Ein Must-Have, zumal auch noch exzellent aufgenommen. (2022)