Rezension
Wer ob des Titels sanften Mitternachts-Rotwein-Jazz erwartet, kennt Wayne Shorter nicht gut. Denn wo immer er mitspielte, passierten in der Regel bahnbrechende Dinge (vor dieser LP hatte er Art Blakeys Jazz Messengers quasi als Co-Leader mitgeführt, nach ihr stieg er im legendären Miles Davis Quintet ein und revolutionierte den Jazz). Und bei so einem Musiker werden auch Träume zu Abenteuerreisen in neue Welten. Die Weggefährten bei diesem ersten Blue Note-Album des Saxophonisten sind Lee Morgan, McCoy Tyner, Reginald Workman und (auch immer dabei, wenn’s was zu erforschen gibt) Schlagzeuggenie Elvin Jones. Ein großer Wurf, vom titelgebenden Einstieg (in dem es, sagt Shorter selbst, um die Paradoxien des Traumerlebens geht – gewiß kein ‚Schlaflied‘) über die einzige echte Ballade „Virgo“ (die aber trotz ihrem lyrischen Charakter immer noch genug melodisches Neuland betritt, um den Hörer ganz bestimmt nicht einnicken zu lassen) bis zum abschließenden „Armageddon“ (noch jemand müde?). Da schickte sich jemand an, große Dinge in Bewegung zu setzen. Der richtige Partner dafür (Davis) war dann ja auch bald gefunden… (1964/2023)